Auf Beutefang: Gruppenjagd im Tierreich
Forscher analysieren die unterschiedlichen Strategien, mit denen Tiere zusammen jagen
Löwen, Piranhas, Schwertwale und Ameisen haben etwas gemeinsam: Sie alle jagen in Gruppen. Dabei verfolgen sie unterschiedlichste Strategien. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Radolfzell haben herausgefunden, dass sich die Jagdstrategien von Art zu Art unterscheiden, beispielsweise hinsichtlich der Stabilität ihrer Gruppen und der Rolle der Individuen darin oder wie sie die Beute untereinander aufteilen. Die Forscher haben ein mehrdimensionales Schema entwickelt, mit dem sie Gemeinsamkeiten von Tierarten mit ähnlichen Jagdstrategien identifizieren und überraschende Parallelen entdecken können. So ähneln nicht nur jagende Schwertwale, Schimpansen und Löwen dem Menschen, auch Afrikanische Wildhunde, manche Raubvögel und Ameisen nutzen dieselbe Kombination von Jagdstrategien.
Wer an Gruppenjagd im Tierreich denkt, stellt sich darunter zunächst ein hungriges Löwen- oder Wolfsrudel vor. Tatsächlich schließen sich aber auch manche Insekten, Fische, Reptilien und Vögel zusammen, um größere Beutetiere zu erlegen. Doch wie unterscheidet sich die Zusammenarbeit in einem Löwenrudel von der einer Ameisenkolonie? Und wie lässt sich das Verhalten so unterschiedlicher Arten überhaupt vergleichen? „Es gibt bislang kein allgemeingültiges Schema, um soziales Jagdverhalten wissenschaftlich zu beschreiben“, erklärt Damien Farine, Forscher am Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell. „Tiere, die identische Formen der Gruppenjagd praktizieren, unterscheiden sich oft darin, wie sie auf der Jagd miteinander kommunizieren, sich spezialisieren, Beute teilen oder zusammenarbeiten. Diese Vielfalt wollten wir in einem Modell erfassen“, fügt sein Kollege Stephen Lang hinzu.
Die Wissenschaftler werteten die Gruppenjagd von fast 90 Arten aus – vom Riesenkalmar bis zum Grizzlybär. Dabei zeigte sich, dass eine erfolgreiche Jagd auf fünf Fähigkeiten beruht: der Fähigkeit stabile Gruppen zu bilden, miteinander zu kommunizieren, bestimmte Rollen bei der Jagd einzunehmen und die Beute gleichmäßig zu teilen. Auch die Bedeutung der Gruppenjagd für das Überleben und der Fortpflanzungserfolg einer Art spielt eine wichtige Rolle. Lang und Farine entwickelten auf Basis dieser Faktoren ein Modell, mit dem sie jeden davon analysieren können.
In manchen Fällen scheinen Tiere in Gruppen auf die Jagd zu gehen, tatsächlich aber versammeln sie sich lediglich an einer größeren Nahrungsquelle. „Während der Lachswanderungen in Kanada beispielsweise kommen hunderte Bären an den immer gleichen Stellen zusammen. Das bedeutet aber nicht, dass sie zusammen jagen“, erklärt Lang. Dasselbe gilt für Schwalben, manche Pinguine und Krokodile. Solche Jagdstrategien fallen in jeweils andere Kategorien.
Die Analyse zeigt auch, dass einige Tierarten sehr viel komplexere Strategien einsetzen. Bei den in Gruppen lebenden Schimpansen beispielsweise übernehmen die Jäger im Rahmen der Jagdstrategie jeweils unterschiedliche Aufgaben. Die Jagd von Schimpansen, Löwen, Schwertwalen und anderer hochentwickelter Beutegreifer ähnelt der ursprünglicher menschlicher Jäger- und Sammler-Kulturen. Überraschenderweise verfolgen auch manche Greifvögel wie die Aplomado-Falken und Ameisenarten vergleichbare Strategien. Diese Tiere müssen in Gruppen jagen – die Vögel in Familienverbänden, die Ameisen in Kolonien -, um erfolgreich zu sein. Einzelne Tiere spezialisieren sich dabei auf bestimmte Aufgaben, kommunizieren während der Jagd und teilen sich am Ende die Beute.
Manchmal gehen sogar Tiere ein und derselben Art unterschiedlich vor. Die in unterschiedlichen Unterpopulationen vorkommenden Schwertwale verfolgen zum Beispiel je nach Population andere Taktiken – welche, hängt von der jeweiligen Beute ab: Auf der Jagd nach Fischen kommunizieren die Tiere intensiv miteinander, beim Robbenfang dagegen jagen die Wale stumm mit verteilten Rollen und locken die Beute in einen Hinterhalt.
Es gibt sogar Tiere, die sich über Artgrenzen hinweg für die Jagd zusammenschließen. So ermuntern Zackenbarsche Muränen zur Jagd. Die beiden Raubfische scheuchen sich dann effektiver Beutefische vors Maul, als wenn sie alleine auf Beutefang gingen. Das Beispiel zeigt, dass Gruppenjagd sich auch auszahlen kann, wenn die Gruppen nicht aus Familienmitgliedern bestehen.
Die Max-Planck-Wissenschaftler wollen nun untersuchen, ob Tiergruppen mit ähnlichem Jagdverhalten gemeinsame evolutionäre Ursprünge besitzen und wie Gruppenjagd im Tierreich entstanden ist. Weltweit können Forscher ihr neues Schema künftig in Verhaltensstudien einsetzen, damit Ergebnisse besser miteinander verglichen werden können.
BA