Zebrafinken singen in unterschiedlichen Dialekten

Künstliche Intelligenz ist erfolgreich, wo wir uns schwertun

Zebrafinken-Männchen lernen ihren Gesang durch das Nachahmen von Artgenossen. Um in der Masse aufzufallen, entwickelt jedes Männchen dabei seinen ganz individuellen Gesang. Aufgrund dieser Bandbreite an unterschiedlichen Gesängen wurde lange angenommen, dass sich bei Zebrafinken keine Dialekte bilden. Forschende am Max-Planck-Institut für Ornithologie (nun MPI für biologische Intelligenz, in Gründung) konnten nun jedoch mit Hilfe von künstlicher Intelligenz die Gesänge von vier verschiedenen Zebrafink-Populationen unterscheiden. Überraschenderweise sind die neu entdeckten Dialekte ausschlaggebend für die Partnerwahl der Weibchen – und nicht wie zuvor angenommen primär das Aussehen.

Für uns hört sich Vogelgesang meist einfach nur schön an. Möchten wir jedoch verstehen, warum Vögel singen, wird es kompliziert, denn der Gesang erfüllt mehrere Funktionen. Zum einen muss erkennbar sein zu welcher Art der Sänger gehört, zum anderen spielt auch die individuelle Erkennbarkeit des Gesangs eine wichtige Rolle bei der Kommunikation. Die Gesänge können sich sowohl an rivalisierende Nachbarmännchen richten, als auch zum Anlocken von Weibchen dienen.

Eng mit der Funktion verknüpft sind die unterschiedlichen Gesangstypen, die es darüber hinaus zu unterscheiden gilt. Bei einigen der über 5000 Singvogelarten sind die Männchen richtige „Virtuosen“. Sie lernen ständig neue Laute und variieren ihren Gesang, vermutlich weil dies die Weibchen beeindruckt. Vögel, die hauptsächlich ihre Artzugehörigkeit kommunizieren, kopieren hingegen so genau wie möglich die Lautäußerungen von Artgenossen. Bei solchen Uniformisten wurde gezeigt, dass über größere regionale Distanzen Unterschiede auftreten können: Zum Beispiel singen die Goldammern überall in Europa „Ich bin eine Goldammer“ – allerdings in regional unterschiedlichen Dialekten.

Zebrafinken gehören einem dritten Gesangstyp an. Die Männchen erlernen ihren Gesang auch von Artgenossen, aber sie tun dies auf sehr individuelle Art und Weise. So entwickelt jedes Männchen seinen ganz persönlichen Gesang – als ob sie ihren Namen kundtun möchten. Aufgrund der individuell unterschiedlichen Gesänge wurde lange Zeit angenommen, dass eine Dialektbildung wie bei der Goldammer, beim Zebrafinken nicht möglich ist. Zusammen mit ihren Kollaborateuren, konnten der Doktorand Daiping Wang und Forschende aus dem Team von Wolfgang Forstmeier und Bart Kempenaers nun jedoch mit Hilfe von künstlicher Intelligenz Dialekte im Zebrafink-Gesang nachweisen.

Dazu trainierten sie einen „Sound Classifier“ mit den Gesängen von Männchen aus vier verschiedenen, voneinander getrennten Zebrafink-Populationen. Als die Wissenschaftler*innen dem Programm die Gesänge nachfolgender Generationen vorspielten, ordnete es diese recht zuverlässig den richtigen Populationen zu. Wolfgang Forstmeier, einer der beiden Erstautoren der Studie erklärt: „Über dieses Ergebnis waren wir sehr erstaunt. Bei Zebrafinken gibt es somit ganz klar Dialekte, die von konventionellen Analysemethoden bisher nicht erkannt wurden.“

Interessanterweise spielen diese Dialekte eine Schlüsselrolle bei der Partnerwahl. Die Forschenden führten sogenannte „Cross-Fostering“-Experimente durch, um die Effekte genetischer Vererbung von denen kultureller Weitergabe zu trennen. Dazu wurden Zebrafink-Küken einer Population von Zebrafinken anderer Populationen aufgezogen. Über drei Generationen entwickelten sich so Vögel mit unterschiedlichen Kombinationen aus genetischen Merkmalen (z.B. Körpergröße) und sozial erworbenen Merkmalen (z.B. Dialekt). Nachdem die Wissenschaftler*innen diese Tiere zusammenbrachten, zeichneten sie mit Hilfe eines QR-Codes auf einem kleinen Rucksack automatisiert alle sozialen Interaktionen auf. Es stellte sich heraus, dass Weibchen Partner bevorzugen, die den gleichen Dialekt singen wie Tiere, mit denen sie aufgewachsen sind. Der Effekt der akustischen Verständigung war demnach wesentlich stärker als die Tendenz einen Partner nach dem Aussehen der Zieheltern zu wählen.

„Für mich ist die Studie eine besonders spannende Anwendung von künstlicher Intelligenz, da sie nicht nur dazu dient, bestehendes Wissen zu bestätigten. Der Sound Classifier verhalf uns als Art Dolmetscher zu völlig neuen Erkenntnissen über den Gesang von Zebrafinken“, sagt Wolfgang Forstmeier. „Dies ist umso bemerkenswerter, da der Zebrafink seit Jahrzehnten das meist untersuchte Modellsystem zum Gesangslernen ist“, fügt Bart Kempenaers hinzu. „Nur weil wir diese Dialekte nicht unterscheiden können, heißt es also noch lange nicht, dass es sie nicht gibt.“

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