Unterschätzte Tutorinnen: Vogelweibchen machen den Nachwuchs zu besseren Sängern

Neue Studie zeigt erstmals weibliche Einflussnahme auf das Gesangslernen männlicher Zebrafinken

Die Männchen singen, die Weibchen hören zu. Lange galten diese Rollen beim Vogelgesang und dem dazugehörigen Lernprozess als klar verteilt. Nun zeigen Forschungsergebnisse, das weibliche Zebrafinken sehr wohl auch eine aktive Rolle beim Gesangslernen spielen. Eine neue Studie unter der Leitung von Daniela Vallentin am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz enthüllt, dass die Rufe der Weibchen in Reaktion auf die Gesangsübungen der Männchen einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der komplexen Gesänge haben. Im Gehirn der Männchen existiert sogar ein neuronaler Schaltkreis, der auf die Rufe der Weibchen reagiert. Die sich im sogenannten Gesangszentrum befindenden, spezialisierten Nervenzellen werden immer dann aktiv, wenn junge Männchen in Anwesenheit von Weibchen ihren Gesang üben. So fördert das Feedback der Weibchen direkt die Präzision und Qualität des erlernten Gesangs.

Wie bei vielen Vogelarten sind auch beim Zebrafinken ausschließlich die Männchen dazu in der Lage, den arttypischen Gesang von einem Tutor, meist dem Vater, zu erlernen. Über einen Zeitraum von drei Monaten hören die jungen Männchen dem Tutor zunächst nur zu. Dann fangen sie an, den gehörten Gesang auch zu üben und entwickeln schließlich eine eigene Version davon, die sie ihr Leben lang beibehalten. Die Weibchen hingegen singen nicht, ihre Rufe sind angeboren und dienen vor allem zur Kommunikation mit dem Partner. Die Forschung zum Gesangslernen hat sich daher bislang vor allem auf die männlichen Tiere konzentriert, also die Beziehung zwischen Tutor und Lehrling. Ein potenzieller Einfluss der Weibchen und deren Rufe auf die Gesangsentwicklung wurde bislang weitgehend vernachlässigt.

Ein Forschungsteam unter der Leitung von Daniela Vallentin hat daher nun jungen Zebrafinkenmännchen den zu erlernenden Tutorgesang vorgespielt, entweder in weiblicher Gesellschaft oder alleine. Die Ergebnisse waren eindeutig: Männchen, die mit weiblicher Unterstützung lernten, konnten den Tutorgesang präziser imitieren. Eine Analyse der weiblichen Rufe während des Gesangslernen zeigte, dass die Weibchen direkt auf die lernenden Männchen reagieren, also quasi deren Gesangsleistung mit ihren einfachen Rufen kommentieren. „Dieses vokale Feedback hat einen positiven Einfluss auf die Gesangsentwicklung der Männchen“, erklärt Daniela Vallentin.

“Das war ein spannendes und unerwartetes Ergebnis, das wir auch auf neuronaler Ebene genauer anschauen wollten”, führt Linda Bistere, Erstautorin der Studie, aus. Eine Analyse der Gehirnaktivität zeigte, dass die Rufe der Weibchen eine spezifische neuronale Reaktion im vokalen Lernzentrum im Gehirn der Jungtiere auslösen, und damit aktiv den neuronalen Gesangslernprozess beeinflussen. Die Rufe der Weibchen fungieren als eine Art Feedback-Mechanismus, möglicherweise sogar als direkte Anleitung für die Männchen beim Erlernen ihres Gesangs.

Solche subtilen aber dennoch entscheidenden Interaktionen zwischen den Geschlechtern bleiben oft lange unerkannt oder zumindest unbeachtet, prägen aber dennoch – wie auch in diesem Fall – komplexe Verhaltensweisen. Diese neuen Erkenntnisse stellen also nicht nur eine wichtige Korrektur der bisherigen Annahme dar, dass Weibchen beim Gesangslernen eine passive Rolle spielen, sondern erinnern auch daran, sich bei der Erforschung komplexer Prozesse nicht immer nur auf das Offensichtliche zu konzentrieren.

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