Glamour färbt nicht ab

Forscher klären Farbunterschiede zwischen den Geschlechtern bei Vögeln auf

4. November 2015

Forscher erklären das herrliche Gefieder der Männchen vieler Vogelarten mit sexueller Selektion: Nur das Männchen mit dem schönsten Gefieder kann bei Vogelweibchen landen. Manchmal sind die Weibchen jedoch bunter gefärbt als die Männchen. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen und Kollegen haben sich nun die Gefiederfärbung von fast 6000 Singvogelarten angeschaut und herausgefunden, dass die Selektion die Färbung beider Geschlechter beeinflusst – manchmal sogar in entgegengesetzter Richtung. So führt starker sexueller Selektionsdruck auf Männchen dazu, dass ihre Farbausprägung zunimmt, die ihrer Weibchen aber sehr viel stärker abnimmt. Bunte Weibchen gibt es der Analyse zufolge vor allem bei großen Arten, in den Tropen und bei Arten, die Brutgemeinschaften bilden.

Spermien sind kleiner und können daher günstiger produziert werden als Eizellen. Deshalb investieren Vogelweibchen mehr in die Elternschaft. Es ist auch meist das weibliche Geschlecht, das den Paarungspartner wählt. Merkmale, die die Weibchen für die Wahl eines Männchens nutzen, unterliegen daher der sexuellen Selektion, denn sie erhöhen den Fortpflanzungserfolg. Solche Merkmale sind zum Beispiel ein prächtiges Federkleid, mit der Männchen die Gunst eines Weibchens zu erringen versuchen.

Weibchen vieler Vogelarten haben jedoch ebenfalls ein bunt gefärbtes Gefieder. Bislang hielten Forscher das für einen Nebeneffekt der Färbung der Männchen: Die Gene für ein auffälliges Gefieder sind demnach in abgeschwächter Form auch bei den Weibchen aktiv. Die Weibchen und Männchen konkurrieren jedoch untereinander um ökologische Ressourcen wie Futter und Territorien, und Gefiedermerkmale könnten im Wettbewerb helfen. Es ist also nicht unbedingt nur die sexuelle Selektion, welche die Evolution der Gefiederfärbung bedingt.

Um herauszufinden, welche Grundkräfte der Evolution auf die Gefiederfärbung beider Geschlechter wirken, analysierte ein Team von Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen mit Kollegen aus Neuseeland, Kanada und Australien die Gefiederfärbung von fast 6000 Sperlingsvogel-Arten, die im „Handbuch der Vögel der Welt“ aufgeführt sind. Hier findet sich das ganze Spektrum an Gefiederfärbungen wieder. Bei vielen Arten sind die Männchen bunter als die Weibchen. Aber es gibt auch Sperlingsvogelarten, bei denen beide Geschlechter gleich farbenfroh bzw. gleich eintönig sind oder bei denen die Weibchen sogar ausgeprägter gefärbt sind als die Männchen.

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die Farbausprägung von Männchen und Weibchen einer Art tatsächlich eng miteinander verknüpft und eine unabhängige Evolution der Farbausprägung zwischen den Geschlechtern nur eingeschränkt möglich ist. Anders als erwartet, verringert jedoch eine starke sexuelle Selektion auf Männchen die Gefiederfärbung der Weibchen stärker als sie die Färbung der Männchen erhöht. „Dass starke sexuelle Selektion zu größeren Unterschieden in der Färbung zwischen den Geschlechter führt, liegt also vor allem daran, dass die Weibchen farbloser werden“, fasst Mihai Valcu zusammen.

Die Wissenschaftler haben darüber hinaus entdeckt, dass große Vogelarten und Vögel, die in den Tropen leben, die am stärksten gefärbten Gefieder haben. Große Vögel werden seltener Beute von Fressfeinden und können sich daher bunte Farben eher leisten. In den Tropen ist der Wettbewerb um Ressourcen stärker, deshalb sind auch dort die Vögel bunter.

Insgesamt erklärten die Analysen die zwischenartlichen Unterschiede der Weibchen besser als die der Männchen: Weibchen sind bunter bei Vögeln mit festen Partnern und bei Arten, bei denen neben den eigenen Eltern noch andere erwachsene Gruppenangehörige die Nestlinge mit Futter versorgen. Die Konkurrenz zwischen Weibchen um die Gelegenheit der Fortpflanzung ist in diesen Fällen höher.

„Insgesamt zeigt unsere Studien, dass die Gefiederfärbung der Weibchen nicht einfach ein Nebenprodukt der sexuellen Selektion auf Männchen ist“, sagt Bart Kempenaers, Direktor in Seewiesen. Vielmehr scheint die Farbenpracht bei Weibchen direkt der Selektion zu unterliegen, sei es, weil sie eine Rolle bei der Partnerwahl spielt oder durch die Konkurrenz zwischen Weibchen. Trotz der genetischen Zwänge ist die Färbung beider Geschlechter also stark und oft unterschiedlich abhängig von morphologischen, sozialen und lebensgeschichtlichen Gegebenheiten.

SSp/HR

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