Citizen-Science Projekt zeigt, dass Rosttöpfer-Paare beim Nestbau konkrete Vorlieben haben
Das Brutpaar baut gemeinsam ein komplexes Nest mit asymmetrischer Architektur
Rosttöpfer-Paare bauen gemeinsam ein bemerkenswertes Nest aus Schlamm. Dieses gewölbte Nest weist eine rätselhafte asymmetrische Architektur auf: Der Eingang kann rechts oder links liegen - und das wiederholt sich in der Regel bei jedem neuen Nest, welches das Paar in den Folgejahren baut. Wissenschaftler*innen des Max-Planck-Instituts für Ornithologie (nun MPI für biologische Intelligenz, i.G.), fanden heraus, dass die beidseitige Asymmetrie des Nestes nicht zufällig ist. Mit Hilfe von über 1.200 Bürgerwissenschaftlern sammelten sie Nestdaten über das gesamte Verbreitungsgebiet des Rosttöpfers in Südamerika und verglichen mehr als 12.600 Nester. Umweltfaktoren konnten die Position des Eingangs nicht erklären. Stattdessen vermuten die Forscher*innen eine genetische Grundlage.
Der Rosttöpfer (Furnarius rufus) lebt in Südamerika und baut ein steinhartes, kugelförmiges Nest aus Lehm, Schlamm, Pflanzenteilen oder Dung, das an einen Lehmofen erinnert. Daher wird er im Spanischen "hornero" genannt - was auch Bäcker bedeutet. Horneros bilden lebenslange Paare, die ihr Revier das ganze Jahr über verteidigen.
Das ausgeklügelte Nest wird auf Bäumen, aber auch an Telefonmasten oder Hausgiebeln gebaut und ist bilateral asymmetrisch: Der Eingang kann sich also entweder auf der linken oder rechten Seite der Kuppel befinden. Die bilaterale Asymmetrie findet sich auch in der Architektur anderer Tiere wieder, zum Beispiel in Ameisennestern, aber sie wurde noch nie an einer kollektiv gebauten Struktur eines Wirbeltiers untersucht. Beim Lehmnest des Horneros bauen nämlich beide Elternvögel gleichermaßen mit und transportieren dafür jeweils etwa 1.500 Portionen Lehm und Pflanzenfasern herbei.
Nicolas M. Adreani, Mihai Valcu und Lucía Mentesana vom Max-Planck-Institut für Ornithologie (nun MPI für biologische Intelligenz, in Gründung,) wollten nun herausfinden, ob es ein Zufall ist, auf welcher Seite sich der Nesteingang befindet. Dazu entwickelten sie eine Smartphone-App und riefen über 1.200 Bürgerinnen und Bürger zur Teilnahme auf, um ein Jahr lang Fotos und Daten zur Nestarchitektur zu sammeln. Die Daten geben Aufschluss sowohl über die Asymmetrie des Eingangs (links oder rechts) als auch über die Merkmale des Neststandorts (Nesthöhe, Deckung, Substrat, Ausrichtung des Eingangs und Siedlungskontext).
"Auf Populationsebene fanden wir 12 % mehr Nester mit einem rechten Eingang als mit einem linken Eingang", sagt Nicolas Adreani, Hauptautor der Studie. In diesem Fall ist die Position des Nesteingangs in der Population nicht nur nicht zufällig, sondern bei verschiedenen Hornero-Paaren auch sehr wiederholbar. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass ein Paar immer ein Nest mit der gleichen asymmetrischen Architektur baut, sich der Eingang also immer auf der gleichen Seite befindet. Ein Nest besteht zwar mehrere Jahre, wird aber nicht saisonübergreifend genutzt. So konnten in der Regel mehrere Nester eines Paares aus aufeinanderfolgenden Jahren in einem Gebiet erfasst und die Nestasymmetrie ein und desselben Paares wiederholt gemessen werden.
Verschiedene Umweltvariablen wie Temperatur, Niederschlag, Höhe oder Eigenschaften des Nistplatzes erklärten die Position des Nesteingangs nicht. "Wir konnten Daten von 12.606 Nestern aus dem gesamten Verbreitungsgebiet der Art analysieren, das etwa 4,8 Millionen Quadratkilometer umfasst und sich über fünf Länder erstreckt: Argentinien, Uruguay, Paraguay, Bolivien und Brasilien", sagt Lucía Mentesana, die Leiterin der Studie. Der fehlende Einfluss von Umweltfaktoren auf die Nestasymmetrie und die hohe Wiederholbarkeit auf Paarebene legen für die Wissenschaftler*innen nahe, dass ein Individuum nur einen asymmetrischen Nesttyp ausbilden kann. "Wir denken, dass die bemerkenswerte Wiederholbarkeit der bilateralen Nestarchitektur eine genetische Grundlage hat", sagt Lucía Mentesana. Ob die Asymmetrie des Nestes von beiden Partnern oder nur von einem abhängt, muss durch weitere Studien geklärt werden.
Der Citizen-Science-Aspekt des Projekts war nicht nur für die Wissenschaftler äußerst spannend, sondern hatte auch eine große Wirkung auf die Gemeinschaft und auf sie selbst: "Es gab viele positive Rückmeldungen", sagt Nicolas Adreani. "Vor allem von Menschen, die in Städten leben. Sie haben uns sogar erzählt, dass sie dank der Nestsuche mehr nach draußen gegangen sind und die Natur wiederentdeckt haben." Die Beteiligung von Bürgerwissenschaftler*innen war also sowohl für die Teilnehmenden als auch für die Forscher*innen ein Gewinn.