Hormone entscheiden über Bruterfolg von Vögeln

Max-Planck-Forscher können Anzahl der Jungvögel anhand der Prolaktin- und Kortikosteron-Werte vorhersagen

19. Januar 2011

Manche Tierarten haben mehr, andere weniger Nachkommen. Hormone wie Prolaktin und Kortikosteron können das Verhalten in der Brutsaison und damit den Fortpflanzungserfolg eines Elternpaares entscheidend beeinflussen. Nun haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Radolfzell und ihre Kollegen der Universitäten Princeton und Edinburgh nachgewiesen, dass die Hormonwerte nicht nur während der Brutzeit von Bedeutung sind, sondern bereits lang davor entscheiden ,wann, wie oft und wie viel Eier ein Vogelpaar legt. Die hormonelle Verfassung eines Tieres ist daher von großer Bedeutung für seinen Fortpflanzungserfolg und ist möglicherweise eine wichtige Schaltstelle der Evolution. 

Auch in der Vogelwelt gibt es große Unterschiede in der Anzahl der Jungen. Verschiedene Individuen einer Art beginnen darüber hinaus zu unterschiedlichen Zeiten mit der Balz und der Brut. Hormone, winzige Botenstoffmoleküle mit großen Auswirkungen auf den Organismus, können hier eine wichtige Steuerungsfunktion haben. Zum Beispiel steigt die Kortikosteron-Konzentration leicht an, wenn ein Tier sehr aktiv ist, etwa bei der Brutpflege. Ist es aber einer plötzlichen Gefahr und damit großem Stress ausgesetzt, erhöhen sich die Werte stark. In dieser Situation können für das Überleben unwichtige Funktionen wie die Fortpflanzung unterdrückt werden. Das Hormon Prolaktin dagegen regt die Vögel an, verstärkt in die Fortpflanzung zu investieren, es steuert die Anzahl der Eier pro Gelege und die Intensität der Brutpflege.

Jenny Ouyang von der Princeton Universität und Michaela Hau vom Max-Planck-Institut für Ornithologie untersuchten deshalb gemeinsam mit ihren Kollegen der Universität Edinburgh an frei lebenden Haussperlingen (Passer domesticus), in welcher Weise die individuellen Hormonkonzentrationen vor und während der Brutzeit mit dem Fortpflanzungserfolg zusammenhängen. Diese Vögel unterscheiden sich oft erheblich in der Anzahl der Gelege und darin, wie viel Eier sie in einer Brutsaison legen und wie viele Junge insgesamt flügge werden. Da Haussperlinge standortreu sind, kann man besonders gut gezielt einzelne Individuen über einen längeren Zeitraum untersuchen.

Die Wissenschaftler zählten für jedes Brutpaar die Anzahl der Eier und der Gelege sowie die Zahl der ausgeflogenen Nachkommen. Parallel entnahmen sie drei Wochen vor Brutbeginn und während der Aufzucht des ersten Geleges in natürlichen Situationen und unter künstlich herbei geführtem Stress regelmäßig Blutproben, um die jeweiligen Konzentrationen der Hormone Kortikosteron und Prolaktin zu bestimmen. „Wir waren überrascht, dass wir drei Wochen vor der Brutsaison anhand der gemessenen Hormonwerte voraussagen konnten, wie viel Nachkommen ein Elternpaar haben würde“, freut sich Jenny Ouyang. „Sperlinge, die vor der Brutsaison niedrige Kortikosteron-Werte hatten, zogen die meisten Jungen auf. Insbesondere Vögel mit niedrigen Werten vor, aber erhöhten während der Brutsaison, hatten großen Fortpflanzungserfolg: Sie investierten offensichtlich viel Arbeit in die Brut.“ Die Tiere dagegen, die hormonell sehr stark auf Stress reagierten, fütterten weniger und hatten entsprechend weniger Nachkommen.

Prolaktin ist den Wissenschaftlern zufolge das entscheidende Hormon für den Zeitpunkt der ersten Eiablage: Weibchen mit höheren Prolaktinwerten begannen früher zu legen, und hatten deshalb auch mehr Nachkommen. „Besonders spannend ist für uns ebenso die Tatsache, dass die Elternpaare sehr ähnliche Hormonwerte aufwiesen“, fügt Jenny Ouyang hinzu „Ob sich die Paare gegenseitig in ihrem Hormonstatus beeinflussen, oder ob sie sich Partner mit ähnlichen Hormonwerten aussuchen, ist noch unklar.“

Die Ergebnisse dieser Untersuchung verbessern das Verständnis der physiologischen Mechanismen, die darüber entscheiden, wann, wie viel Eier pro Gelege und wie oft ein Vogel brütet. Dabei sind die Hormone Prolaktin und vor allem Kortikosteron von größerer Bedeutung für die Regelung individueller Investitionen vor Beginn der Fortpflanzung als bisher angenommen wurde. Sollte die individuelle Höhe der Hormonwerte vererbbar sein, könnte dies eine grundlegende Erklärung dafür sein, warum manche Individuen eine hohe Anzahl von Nachkommen hinterlassen und damit evolutionär erfolgreicher sind als andere.

MH/LA/HR

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