„Blinker setzen“ und Schulterblick – auch bei Zebrafinken essenziell
Zebrafinken verständigen sich mit Blicken und Rufen, um ihren Flug in der Gruppe zu koordinieren
Viele Vogelarten fliegen gemeinsam mit Artgenossen in Schwärmen, um Flugstrecken sicher zu überwinden. Um dabei Kollisionen miteinander zu vermeiden und eine gemeinsame Richtung einzuschlagen, ist eine gute Kommunikation zur Abstimmung der Flugpositionen unter den Schwarmmitgliedern unerlässlich. Wie diese Kommunikation bei Zebrafinken abläuft, untersuchten Forschende um Susanne Hoffmann aus der Abteilung von Manfred Gahr am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz, in Gründung. Sie haben herausgefunden, dass Zebrafinken im Flug sowohl Blicke als auch Rufe nutzen, um ihre Flugpositionen untereinander abzustimmen und nicht zusammen zu stoßen.
Kommunikation ist essenziell für das Zusammenleben in einer funktionierenden Gemeinschaft. Das gilt auch für Vogelschwärme: Flugmanöver müssen koordiniert und die Bewegungen der einzelnen Tiere schnell aufeinander abgestimmt werden. Nur so lassen sich Zusammenstöße vermeiden und die Bewegung des Schwarms als Ganzes steuern.
„Wie die Vögel das alles im Flug vollbringen, ist bisher nicht bekannt“, sagt Susanne Hoffmann vom Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz, in Gründung. „Es wurde vermutet, dass jeder Vogel im Schwarm seine Nachbarn beobachtet und die eigenen Flugmanöver an deren Bewegungen anpasst. Aber auf wie viele andere Tiere kann sich ein einzelner Vogel zeitgleich konzentrieren? Und was machen die Vögel, wenn die Sicht schlecht ist? Da gibt es sehr viele offene Fragen.“
Zebrafinken im Windkanal
Um sich diesen Fragen zu nähern, untersuchte Hoffmann die Kommunikation in einer kleinen Gruppe von Zebrafinken. Die Singvögel leben in freier Wildbahn in größeren Kolonien und geben auch im Flug unterschiedliche Laute von sich, deren Zusammenhang mit Flugmanövern bisher nicht erforscht wurde.
Um diese Lautäußerungen genauer zu untersuchen, nutzten die Forschenden sehr kleine und leichte Funkmikrofone, die am Institut entwickelt wurden. Diese können problemlos von den etwa 15 Gramm schweren Vögeln im Flug getragen werden. So konnten Hoffmann und ihre Kolleg*innen im institutseigenen Windkanal das Zwitschern der einzelnen Tiere auch während des Fluges aufnehmen. Videokameras verfolgten zeitgleich die Flugbewegungen der Gruppe.
Rufe helfen bei der Kollisionsvermeidung
Die Forschenden fanden heraus, dass kurzen Lautäußerungen der Zebrafinken während des Fluges fast immer eine Flugbewegung des rufenden Vogels nach oben folgt. Dabei befand sich der Vogel meist weit vorne und im unteren Bereich der Gruppe. Eine Position, von der aus der Vogel Gruppenmitglieder über und hinter sich wahrscheinlich nicht sehen kann.
Die Forschenden konnten zudem beobachten, dass sich nach einem ausgesandten Ruf die Fluggeschwindigkeit der anderen Zebrafinken kurzzeitig verringert. Dies könnte dazu dienen, die Flugbahn des rufenden Vogels zu beobachten und Kollisionen zu vermeiden.
„Wir hatten nicht erwartet, dass die Lautäußerungen eines Vogels in einer Gruppe so eng mit den Flugmanövern dieses Vogels zusammenhängen“, erinnert sich Hoffmann. „Die Rufe schienen tatsächlich eine Positionsänderung anzukündigen und Artgenossen entsprechend vorzuwarnen.“
Während vertikale Positionsänderungen der Zebrafinken durch einen Ruf angekündigt werden, nutzen die Vögel bei horizontalen Positionsänderungen Blicke. Durch eine Kopfbewegung des Vogels um etwa 90° schaut eins der sich seitlich am Kopf befindenden Augen zur Seite, das andere geradeaus – sozusagen ein kurzer Schulterblick beim Ausscheren.
Vollmondnacht und künstliche Hindernisse
Um ihre Hypothese zu überprüfen, untersuchten die Forschenden, wie sich eine eingeschränkte Sicht und Hintergrundgeräusche auf die Häufigkeit von Rufen im Flug auswirken. Dazu dunkelten sie den Windkanal ab, um die Sicht der Vögel einzuschränken. Die reduzierten Lichtverhältnisse entsprachen dabei einer klaren Vollmondnacht. Unter diesen Bedingungen, bei denen die Vögel gerade noch bereit sind zu fliegen, nahm die Rufhäufigkeit zu. Es kam jedoch nicht zu vermehrten Kollisionen – die zusätzlichen Rufe helfen den Vögeln offensichtlich, ihre Flugbahnen trotz der verringerten Sicht gut untereinander abzustimmen.
Wurden während der Flugphasen Hintergrundgeräusche eingespielt, die die Rufe der Zebrafinken überdeckten, verringerte sich hingegen die Häufigkeit ihrer Lautäußerungen und es kam etwas häufiger zu Kollisionen. Diese Beobachtungen legen nahe, dass die Kommunikation über Rufe im Flug effektiv zum Vermeiden von Zusammenstößen bei Zebrafinken beiträgt.
Als nächstes wollen sich die Forschenden um Susanne Hoffmann die Kommunikation während eines über alle Tiere koordinierten Flugmanövers genauer ansehen. „Uns interessiert, ob die Vögel auch beim gemeinsamen Ausweichen eines virtuellen Hindernisses, welches wir in den Windkanal projizieren, Lautäußerungen nutzen“, so Hoffmann. Ob die beobachteten Verhaltensweisen auch auf größere Vogelschwärme und auf Zebrafinken in freier Wildbahn zutreffen, müssen zukünftige Untersuchungen zeigen.
[MB]
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