Bewegungen im Fliegenauge
Lisa Fenk erhält ERC Consolidator Grant für ihre Forschung zu Netzhautbewegungen bei Fruchtfliegen
Lisa Fenk erforscht mit ihrem Team am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz die Sehprozesse der Fruchtfliegen. Dabei interessiert sie sich vor allem für die neu entdeckten Bewegungen der Netzhäute im Fliegenauge – denn viele dieser Bewegungen sind den menschlichen Augenbewegungen verblüffend ähnlich. In den kommenden Jahren möchte die Wissenschaftlerin untersuchen, wie Nervenzellen die visuellen Informationen aus den Netzhautbewegungen verarbeiten und wie die visuelle Wahrnehmung der Fliege dadurch profitiert. Das Projekt wird durch den European Research Council (ERC) nun mit einem Consolidator Grant in Höhe von zwei Millionen Euro gefördert.
Unsere Augen sind ständig in Bewegung: Wir verfolgen bewegte Objekte, scannen unsere Umwelt und selbst wenn wir einen Gegenstand fixieren, kommen unsere Augen nie vollständig zur Ruhe. Insekten und viele andere Gliedertiere besitzen dagegen starre Facettenaugen, die fest mit dem Kopf verbunden sind. Bisher wurde angenommen, dass diese Tiere ihr Blickfeld nur verändern können, indem sie den Kopf drehen oder ihren Körper bewegen. Lisa Fenk und ihre Kolleg*innen in New York haben jedoch herausgefunden, dass die Augen mancher Insekten weniger starr sind als gedacht: Fruchtfliegen besitzen zwei kleine Muskeln, mit deren Hilfe sie die Netzhäute unter den starren Linsen bewegen können. Interessanterweise ähneln viele dieser Netzhautbewegungen stark unsere eigenen Augenbewegungen.
So folgen Fruchtfliegen mit Hilfe ihrer Netzhäute bewegten Objekten, um ein wahrgenommenes Bild zu stabilisieren. Bewegt sich nichts in der visuellen Umgebung der Tiere, finden dennoch kleine, spontane Netzhautbewegungen statt. Im Vergleich zu unseren Augen deckt das Blickfeld von Fliegen einen viel größeren Teil der Umwelt ab. Fliegenaugen müssen die Umgebung daher gar nicht scannen, denn sie nehmen fast ihre gesamte visuelle Umwelt zeitgleich wahr. Warum sind trotzdem spontane Netzhautbewegungen zu beobachten? Kann die Fliege dadurch Dinge sehen, die sie sonst nicht wahrnehmen würde? Und wie wird dieser Prozess gesteuert?
„Die Netzhautbewegungen in Echtzeit und in Abhängigkeit von visuellen Reizen zu koordinieren erfordert von den beteiligten Nervenzellen eine hohe Rechenleistung“, sagt Lisa Fenk. „Wir wollen verstehen, wie das Gehirn die Informationen nutzt, die es mithilfe der Netzhautbewegungen gewinnt.“ Dieses Forschungsvorhaben wird über die kommende fünf Jahre mit einem Consolidator Grant des European Research Council in Höhe von zwei Millionen Euro gefördert. Dabei können Fenk und ihr Team auf viele experimentelle Methoden und ein umfangreiches Wissen über den Aufbau des Nervensystems von Fruchtfliegen zurückgreifen. Denn das visuelle System von Fruchtfliegen und die neurobiologischen Vorgänge beim Sehvorgang werden bereits seit vielen Jahren erforscht.
Die gewonnen Erkenntnisse werden nicht nur für die Erforschung von Fliegen und anderen Insekten interessant sein. „Wir hoffen, dass unsere Erkenntnisse in der Fruchtfliege die Forschung zu anderen Tierarten weiter ergänzt. Ein übergeordnetes Ziel ist es herauszufinden, mit welchen Mechanismen die Gehirne verschiedenster Tiere ähnliche visuelle Herausforderungen meistern“, erklärt Lisa Fenk. „Warum führen Fliegen und Menschen trotz ihrer so unterschiedlichen Sehsysteme ähnliche aktive Augenbewegungen aus? Dieser spannenden Frage möchten wir nachgehen.“