Herausragende Veröffentlichungen geehrt
Ilaria Vitali und Johannes Kappel erhalten Young Scientist Award
Wegweisende Wissenschaft, in angesehenen Fachzeitschriften veröffentlicht: diese Beschreibung trifft auf die Forschungsarbeiten von Ilaria Vitali und Johannes Kappel gleichermaßen zu. Während Ilaria Vitali sich mit der Frage befasste, wie die große Vielzahl unterschiedlicher Zelltypen im Gehirn entsteht, untersuchte Johannes Kappel, woran Zebrafische sich gegenseitig erkennen. Für ihre wissenschaftlichen Arbeiten wurden beide nun mit dem Young Scientist Award ausgezeichnet.
Ahnenforschung mit Gehirnzellen
Unser Körper besteht aus Hunderten von Zelltypen, die jeweils spezifische Funktionen erfüllen. Eine besonders große Vielfalt an Zelltypen findet sich im Gehirn, wo es allein über 100 verschiedene Typen von hemmenden, sogenannten inhibitorischen Nervenzellen gibt. Wie entsteht diese enorme Diversität an Zelltypen?
Ilaria Vitali aus der Forschungsgruppe von Christian Mayer untersuchte zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen die Prozesse, die zur Zellvielfalt im Gehirn der Maus führen. Dazu entwickelte das Team eine neue Technik, um Zellen mithilfe von Barcodes aus künstlichen DNA-Sequenzen eindeutig zu markieren. So konnten die Forschenden nachvollziehen, welche Zellen voneinander abstammen. Zur gleichen Zeit analysierten sie die mRNA-Moleküle – die Arbeitskopien der Gene – in den einzelnen Zellen und konnten dann die markierten Zellen verschiedenen Zelltypen zuordnen.
Durch die Kombination der beiden Methoden zeigten die Forschenden, dass ausgehend vom Zelltyp nicht auf den Verwandtschaftsgrad geschlossen werden kann. Anders als oft angenommen, lassen sich Zellen eines ähnlichen Zelltyps häufig nicht auf einen gemeinsamen Ursprung in der Entwicklung zurückführen, während nicht verwandte Vorläuferzellen ähnliche Zelltypen hervorbringen können.
Ilaria Vitali studierte Biotechnologie in Mailand und promovierte in Neurowissenschaften an der Universität Genf. Sie forschte im Anschluss als Postdoc an der Universität Genf und in der Gruppe von Christian Mayer am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz (ehemals Max-Planck-Institut für Neurobiologie). Seit 2022 arbeitet sie als Wissenschaftlerin an der Universität Lausanne.
Annäherungsversuche bei Zebrafischen
Menschen und viele Tierarten leben in Gemeinschaften. Als Grundlage für soziale Interaktionen müssen Individuen aber zunächst einmal andere Individuen als zu ihrer eigenen Art zugehörig identifizieren.
Johannes Kappel aus der Abteilung von Herwig Baier untersuchte an jungen Zebrafischen, wie das Gehirn eines Tieres seine Artgenossen erkennt. Zusammen mit seinen Kolleginnen und Kolleginnen fand er heraus, dass ein neuronaler Schaltkreis im Gehirn soziale Anziehung vermittelt. Eine spezialisierte Nervenbahn, die von der Netzhaut bis tief ins Gehirn führt, ermöglicht es Zebrafischen, Artgenossen zu erkennen und sich ihnen zu nähern.
Für ihre Forschung nutzte das Team einen eigens entwickelten Versuchsaufbau, in dem junge Zebrafische mit simulierten Artgenossen interagieren können. Gleichzeitig maßen sie die Gehirnaktivität der schwimmenden Tiere. Die Experimente zeigten, dass ein simulierter Artgenosse im Zebrafischgehirn ganz bestimmte Nervenzellen im Thalamus aktiviert. Die Nervenzellen verbinden das visuelle System des Zebrafisches mit weiteren Gehirnregionen, die bei sozialem Verhalten aktiv werden. Sie erfüllen so die Aufgabe des sozialen Erkennens, um eine Annäherung an Artgenossen einzuleiten.
Johannes Kappel studierte Biowissenschaften und molekulare Biomedizin in Münster, mit Forschungsaufenthalten am HHMI Janelia Research Campus (Ashburn, USA) und an der New York University. Seit 2018 forscht er im Rahmen seiner Doktorarbeit in der Abteilung von Herwig Baier am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz.